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DFG-Projekt: "Deutungsmuster ‚Wachkoma' - Eine projektfokussierte Trajektanalyse"
 
 

DFG-Projekt: "Deutungsmuster ‚Wachkoma'
Eine projektfokussierte Trajektanalyse"

Gefördert durch die DFG

Projektleitung:
Prof. Dr. Ronald Hitzler
Prof. Dr. Henny Annette Grewe

Projektbearbeitung:
Jessica Pahl, M.A. (Technische Universität Dortmund)
Kathrin Möller, M.A. (Hochschule Fulda)

Projektlaufzeit:
01.07.2012 - 31.12.2014

Kurzbeschreibung des Projekts:

Die Überlebenschancen für Menschen nach Unfällen oder schweren Erkrankungen des zentralen Nervensystems sind im Zuge technischer Neuerungen und des Fortschritts der modernen Intensivmedizin seit den 1970er Jahren deutlich gestiegen. Diese Entwicklung betrifft auch die Behandlung derjenigen Personen, die sich im sogenannten ‚Wachkoma' befinden. Waren zuvor die meisten dieser Menschen nach dem Akutereignis sehr schnell gestorben, wird nun durch die Nutzung immer effizienterer intensivmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten zunehmend ein langfristiges Überleben auch nach schwersten Schädigungen des (Groß-)Hirns möglich. Das diese Patienten kennzeichnende Krankheitsbild, einer augenscheinlichen Wachheit ohne erkennbares (Selbst-)Bewusstsein, stellt damit ein intensivmedizinisches Artefakt dar, d.h. eine Art des Daseins, welche durch die avancierte Medizin überhaupt erst möglich geworden ist. Menschen im sogenannten Wachkoma sind bislang kaum Thema empirischer sozialwissenschaftlicher Untersuchungen. Bisherige medizinische Studien berücksichtigen kaum die Dynamik der Erkrankung. Wir beabsichtigen, diese Forschungslücke zu verringern, indem wir das Gesamtgeschehen ‚Wachkoma' in seinem Verlauf - von der Diagnosepraxis über die Therapiemöglichkeiten bis hin zu einer Therapiezieländerung oder einem Behandlungsabbruch - unter besonderer Berücksichtigung der individuellen, organisationalen und institutionellen Bedingungszusammenhänge ins Zentrum unseres soziologischen Forschungsinteresses zu rücken.

Forschungsdesign:

Im Sinne des Forschungsvorhabens, die Verlaufskurve des Gesamtgeschehens ‚Wachkoma' systematisch und unter besonderer Berücksichtigung des Topos der ‚Aktivierung' zu fassen, sollen die Rehabilitationsphasen B-F, die Menschen im Wachkoma durchlaufen (können) in den Blick genommen werden: Die neurologische Frührehabilitation der Phase B dient dazu, schwer hirngeschädigte Patienten nach der Akut-Versorgung wieder zu aktivieren, d.h. den Patienten ins bewusste Leben zurückzuholen, um die Grundlage für weitere Rehabilitationsphasen zu schaffen. Kommt es während der Aufenthaltszeit in dieser Phase B zu keiner merklichen Verbesserung physischer und psychischer Leistungen, werden die Patienten direkt in die Phase F eingestuft, in der sie, teils über mehrere (mitunter auch viele) Jahre hinweg, zumindest unterstützende, betreuende bzw. zustandserhaltende Maßnahmen erhalten. Wachkoma-Patienten befinden sich - ohne zeitliche Begrenzung - in dieser Phase entweder in einer speziellen oder in einer allgemeinen Langzeitpflegeeinrichtung oder werden von einem außerklinischen Intensivpflegedienst zu Hause medizinisch und pflegerisch betreut. In unserem Projekt untersuchen wir die verschiedenen praktischen Umgangsweisen mit sowie die diesen zugrundeliegenden Einstellungen zu Wachkoma-Patienten in den einzelnen diagnostisch-therapeutischen Phasen. Ergänzend rekonstruieren wir die Bedeutung von Begleitagenturen (Gerichte, Krankenkassen, Pflegeversicherungen, Rentenanstalten, Berufsgenossenschaften, Sozialämter, etc.) und damit die Dynamik des sozialen Gesamtgeschehens ‚Wachkoma'. Dazu werden Daten zu Wissensbeständen sowie zu Deutungs- und Handlungspraktiken beteiligter Akteure erhoben. Im Rahmen der sich wesentlich auf teilnehmende Beobachtung stützenden Feldforschung führen wir (beiläufige) Gespräche und (systematische) Interviews und analysieren umfassend Dokumente. Wir erwarten, dergestalt damit eine datenbegründete sozialwissenschaftliche Theorie des Phänomens ‚Wachkoma' bilden und zur Diskussion stellen zu können.

Publikationen im Projektkontext

 
 
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