DFG-Projekt: "Deutungsmuster ‚Wachkoma'
- Eine projektfokussierte Trajektanalyse" |
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DFG-Projekt: "Deutungsmuster ‚Wachkoma' Projektleitung: Die
Überlebenschancen für Menschen nach Unfällen oder schweren Erkrankungen des zentralen Nervensystems
sind im Zuge technischer Neuerungen und des Fortschritts der modernen Intensivmedizin seit den 1970er
Jahren deutlich gestiegen. Diese Entwicklung betrifft auch die Behandlung derjenigen Personen, die sich
im sogenannten ‚Wachkoma' befinden. Waren zuvor die meisten dieser Menschen nach dem Akutereignis sehr
schnell gestorben, wird nun durch die Nutzung immer effizienterer intensivmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten
zunehmend ein langfristiges Überleben auch nach schwersten Schädigungen des (Groß-)Hirns möglich. Das diese
Patienten kennzeichnende Krankheitsbild, einer augenscheinlichen Wachheit ohne erkennbares (Selbst-)Bewusstsein,
stellt damit ein intensivmedizinisches Artefakt dar, d.h. eine Art des Daseins, welche durch die avancierte
Medizin überhaupt erst möglich geworden ist.
Menschen im sogenannten Wachkoma sind bislang kaum Thema empirischer sozialwissenschaftlicher Untersuchungen.
Bisherige medizinische Studien berücksichtigen kaum die Dynamik der Erkrankung. Wir beabsichtigen, diese
Forschungslücke zu verringern, indem wir das Gesamtgeschehen ‚Wachkoma' in seinem Verlauf - von der Diagnosepraxis
über die Therapiemöglichkeiten bis hin zu einer Therapiezieländerung oder einem Behandlungsabbruch - unter
besonderer Berücksichtigung der individuellen, organisationalen und institutionellen Bedingungszusammenhänge ins
Zentrum unseres soziologischen Forschungsinteresses zu rücken.
Forschungsdesign: Im Sinne des
Forschungsvorhabens, die Verlaufskurve des Gesamtgeschehens ‚Wachkoma' systematisch und unter
besonderer Berücksichtigung des Topos der ‚Aktivierung' zu fassen, sollen die Rehabilitationsphasen
B-F, die Menschen im Wachkoma durchlaufen (können) in den Blick genommen werden: Die neurologische
Frührehabilitation der Phase B dient dazu, schwer hirngeschädigte Patienten nach der Akut-Versorgung
wieder zu aktivieren, d.h. den Patienten ins bewusste Leben zurückzuholen, um die Grundlage für
weitere Rehabilitationsphasen zu schaffen. Kommt es während der Aufenthaltszeit in dieser Phase B zu
keiner merklichen Verbesserung physischer und psychischer Leistungen, werden die Patienten direkt in
die Phase F eingestuft, in der sie, teils über mehrere (mitunter auch viele) Jahre hinweg, zumindest
unterstützende, betreuende bzw. zustandserhaltende Maßnahmen erhalten. Wachkoma-Patienten befinden
sich - ohne zeitliche Begrenzung - in dieser Phase entweder in einer speziellen oder in einer
allgemeinen Langzeitpflegeeinrichtung oder werden von einem außerklinischen Intensivpflegedienst zu
Hause medizinisch und pflegerisch betreut. In unserem Projekt untersuchen wir die verschiedenen
praktischen Umgangsweisen mit sowie die diesen zugrundeliegenden Einstellungen zu Wachkoma-Patienten
in den einzelnen diagnostisch-therapeutischen Phasen. Ergänzend rekonstruieren wir die Bedeutung von
Begleitagenturen (Gerichte, Krankenkassen, Pflegeversicherungen, Rentenanstalten,
Berufsgenossenschaften, Sozialämter, etc.) und damit die Dynamik des sozialen Gesamtgeschehens
‚Wachkoma'. Dazu werden Daten zu Wissensbeständen sowie zu Deutungs- und Handlungspraktiken beteiligter
Akteure erhoben. Im Rahmen der sich wesentlich auf teilnehmende Beobachtung stützenden Feldforschung
führen wir (beiläufige) Gespräche und (systematische) Interviews und analysieren umfassend Dokumente.
Wir erwarten, dergestalt damit eine datenbegründete sozialwissenschaftliche Theorie des Phänomens
‚Wachkoma' bilden und zur Diskussion stellen zu können.
Publikationen im Projektkontext |
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